Allgemeines zum Nibelungenlied

Das Nibelungenlied ist ein mittelalterliches Heldenepos, welches uns in 11 vollständigen und 24 fragmentarischen Handschriften überliefert ist. Die wichtigsten Handschriften tragen die Bezeichnungen A, B, C, wobei heute die Handschrift C, welche sich heute in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe befindet, vom Großteil der Forschung als die älteste angesehen wird. Die ältesten Handschriften stammen aus dem zweiten Viertel des 13. Jh.. Die Hundeshagensche Handschrift aus dem 15.Jh. besitzt als einzige der mittelalterlichen Handschriften Illustrationen.

Die Nibelungensage ist jedoch nicht nur im Nibelungenlied überliefert, sondern findet sich in einer Vielzahl von literarischen Werken der deutschen, skandinavischen und englischen Literatur aus verschiedenen Jahrhunderten. Teilweise weichen die Versionen stark voneinander ab. Einige seien hier aufgeführt:

Deutsche Version:

  • Waltharius 10. Jh.

  • Nibelungenklage 13. Jh.

  • Thidrekssaga (13. Jh. norwegische Sagensammlung aber nach deutschen Sagen verfasst) Svava (schwedische Version der Thidrekssaga) 15. Jh.

  • Lied vom hürnen Seyfrid 16. Jh.

  • Hans Sachs, Der hürnen Seufrid, (Tragödie in sieben Acten) 16. Jh.

  • Volksbuch von dem gehörnten Siegfried 18. Jh.

Nordische Version

  • Snorra-Edda 13. Jh.

  • Ältere Liederedda 13. Jh.

  • Völsungensage 13. Jh.

  • Norna - Gests - Saga 14. Jh.

  • Dänische Nibelungenballaden 16.Jh.

  • Färöische Nibelungenvolkslieder 19.Jh.

Einzelerwähnungen in Werken:

  • Beowulf (England 9./10.Jh.)

  • Saxo Grammaticus 12./13. Jh.

  • Biterolf - und Dietleib - Epos 13. Jh.

  • Wolfram von Eschenbach, Parzival, 13.Jh.

  • Lieder des Marner 13. Jh.









Entstehungsgeschichtlich wären auch das Wolfdietrich-Epos 13. Jh. sowie das französische Floovant -Epos 12./13. Jh. und das italienische Fioravante-Epos 13. Jh. noch zur Nibelungensage zu zählen.

Entstehungszeit:
Die Entstehungszeit des Nibelungenliedes ist umstritten. Vermutungen reichen vom Ende des 12. Jh. bis Mitte des 13. Jh.. Aufgrund der Reimtechnik ist eine Entstehung vor 1190 unwahrscheinlich. Weiterhin wird von einigen Fachleuten angeführt, die Erwähnung einer Nibelungenszene in Wolfram von Eschenbachs Parzival, um 1205 geschrieben, weise darauf hin, dass Wolfram das Nibelungenlied bereits kannte. Diese Ansicht verwundert etwas, da die von Wolfram beschriebene Szene genau nicht im Nibelungenlied vorkommt. Auch der Marner lässt in einem Gedicht (datiert 1230 bzw. 1243) den Nibelungenschatz beim Lurlenberge im Rhein versenken und nicht ze Loche wie im Nibelungenlied.

Historische Parallelen zur Geschichte der Babenberger lassen es eher als wahrscheinlich erachten, dass das Nibelungenlied kurz nach 1246 geschrieben wurde. Die Babenberger waren das österreichische Herzogsgeschlecht, zu deren Herrschaftsgebiet unter anderem auch Wien gehörte. Die Babenberger waren die weitaus größten Förderer von Kunst und Kultur der damaligen Zeit. Fast alle großen deutschen Dichter wirkten an ihrem Hofe. Herzogs Leopold V. nahm 1192 den Kreuzfahrer Richard Löwenherz gefangen und erpresste für seine Freilassung ein ungeheures Lösegeld. Leopold wurde dafür vom Papst exkommuniziert. Da auch bald zahlreiche Unglücke die Babenberger traf, meinte man, es liege ein Fluch auf dem erpressten Schatz.



Als 1230 nach dem Tod seiner Brüder und seines Vaters, Leopolds VI., Friedrich II. Herzog von Österreich wurde, brachen schwere Zeiten für das Herzogtum an, denn Friedrich, der auch der Streitbare genannt wurde, versuchte seinen Besitz durch Kriege gegen Bayern, Böhmen und Ungarn zu vergrößern. Da die Unternehmungen in Misserfolgen endeten, erhöhte Friedrich die Abgaben, so dass das Volk auch darunter zu leiden hatte. Aber auch andere Missetaten beging Friedrich. So brach er in das Hochzeitsgemach seiner Schwester Constanze ein und zwang sie, auf die vereinbarte Mitgift zu verzichten. Die schöne Wienerin Brünhild, welche Friedrich verschmähte, zwang er auf ein Fest und vergewaltigte sie. 1241 fielen die Mongolen, ein Reitervolk wie die Hunnen, in Ungarn ein. Friedrich unterstützte den ungarischen König Bela IV. im Kampf. Als Bela IV. jedoch zu Friedrich floh, erpresste Friedrich von Bela eine große Summe. Als die Mongolen sich aufgrund des Todes des Großkhans Ügedei zurückzogen, fiel Friedrich auch noch in Ungarn ein. 1246 sammelte daher Bela ein Heer und griff Österreich an, um Rache zu nehmen. Am 15. Juni siegten die Österreicher zwar in der Schlacht an der Leitha, aber der kinderlose Friedrich fand dabei den Tod. Hiernach hörte das Herzogtum der Babenberger auf zu existieren. Dies war eine Katastrophe für all die Künstler und Dichter, die sich mit einem Schlag ihres Lebensunterhaltes beraubt sahen. Vorbei waren auch die Feste und hohe Zeiten. Die Datierung um 1246 würde auch erklären, weshalb die ältesten Handschriften aus dem zweiten Viertel des 13. Jh. stammen.

Der Dichter: Der Dichter des Nibelungenliedes ist nicht bekannt. Aufgrund der Ortsbeschreibungen im Nibelungenlied kann er jedoch im Passauer-Österreicher Raum vermutet werden. Vielleicht war der Passauer Bischof Rüdiger von Bergheim der Auftraggeber.



Deutung: Die Deutung des Nibelungenliedes ist umstritten und vielfältig. Teilweise wird vermutet, dass der Dichter keine Aussage mit seinem Werk treffen wollte, sondern lediglich den alten Sagenstoff aufzeichnete. Geht man jedoch davon aus, dass die Entstehung mit dem Untergang der Babenberger in Verbindung steht, so will der Dichter des Nibelungenliedes wohl aufzeigen, wohin eine katastrophale Regierungspolitik und ein System der blinden Treue zu den Herrschenden führen. Die Motive der handelnden Personen sind Rache, Geldgier, gekränkte Eitelkeit und übersteigertes Geltungsbedürfnis, denen sie rücksichtslos alles andere unterordnen und wenn nötig auch opfern. Wenn aber die Großen eines Landes ihre eigenen Eitelkeiten und Befindlichkeiten, ihre eigene Macht - und Geldgier über das Wohl eines Landes und Volkes setzen und anstatt weise zum Wohle aller zu regieren, selbst vor den größten Verbrechen nicht zurück schrecken und ohne jede Moral, alle hehren Werte verraten und ihre Macht missbrauchen, dann werden sie bei einem Herrschaftssystem, dass dies begünstigt, ihr Volk und ihr ganzes Land in einen Strudel ziehen, an dessen Ende alle Freud zu Leid wird. Damit aber ist das Nibelungenlied auch ein ewig aktuelles Werk. Die Ironie des Schicksals wollte es, dass unter Berufung auf die Nibelungentreue in Stalingrad die deutschen Soldaten für ihren Führer bis zum letzten Mann kämpfen sollten. Man hatte die Warnung des Dichters nicht verstanden.

Die Wiederentdeckung des Nibelungenliedes begann mit dem Auffinden der Handschrift C durch Jakob Hermann Obereit in der Bibliothek des Grafen Hohenems im Jahre 1755. Seitdem ist das Nibelungenlied und die -sage aus der deutschen Geschichte und Kultur und auch aus der internationalen Geschichte und Kultur nicht mehr wegzudenken. Zahlreiche Dichter und Künstler wurden dadurch beeinflusst. Eine wichtige Werke seien hier genannt:

  • Friedrich Hebbel, Die Nibelungen, Drama 1861

  • Richard Wagner, Der Ring des Nibelungen, Opern - Tetralogie 1876

  • Wolfgang Holbein, Hagen von Tronje, Fantasie-Roman, 1986

Filme:

  • 1924 Fritz Lang, Die Nibelungen

  • 1967 Harald Reinl, Die Nibelungen

  • 2004 Uli Edel, Der Ring der Nibelungen

Harald Reinls Verfilmung unter Produzent Artur Brauner, welche sich eng an das Original anlehnt, ist meiner Ansicht nach die beste der Nibelungenverfilmungen.

  • 2005 Sven Unterwaldt, Siegfried, Komödie